Enthält ein Bauteil auf der Außenseite eine dampfdichte Ebene, wie z.B. eine (Bitumen-)Dachbahn, ist bei der Planung der Wärmedämmung Umsicht angesagt: Ohne besondere Vorkehrungen kann das unvermeidliche Tauwasser leicht zum Versagen des Bauteils führen. Betroffen sind davon nicht nur Flachdächer, sondern auch Steildächer, die unter den Ziegeln eine Bitumenbahn als zweite wasserführende Ebene enthalten.
Das Problem entsteht, wenn im Winter Wasserdampf aus der warmen Raumluft in das Bauteil eindringt, auf der Außenseite aber nicht entweichen kann: Vor der kalten Dichtbahn staut sich der Wasserdampf und kondensiert dort zu Tauwasser. Damit es nicht langfristig zu Feuchteschäden kommt, muss die Feuchtigkeit im Sommer vollständig trocknen können. Aufgrund der Dichtbahn kann das Tauwasser aber auch im Sommer nur in Raumrichtung verdunsten. Und genau deshalb kann eine klassische Dampfbremse dieses Problem nicht lösen: Ein höherer Wasserdampfwiderstand auf der Warmseite des Bauteils reduziert die Tauwassermenge problemlos, die Trocknung im Sommer wird jedoch in gleicher Weise erschwert. Es kann deshalb leicht passieren, dass die Feuchtigkeit über Jahre hinweg zunimmt und zum sicheren Versagen des Bauteils führt.
Feuchtevariable Dampfbremsen
Für die Lösung dieses Problems hat die Baustoffindustrie sogenannte „feuchtevariable Dampfbremsen“ entwickelt: Durch einen hohen sd-Wert im Winter und einen kleinen sd-Wert im Sommer wird das Eindringen von Wasserdampf im Winter erschwert und die Trocknung im Sommer möglichst wenig behindert. Aber auch mit einer feuchtevariablen Dampfbremse ist die restlose Trocknung nicht in allen Situation gewährleistet: Denn die Feuchtigkeit trocknet umso schneller, je wärmer die betroffenen Schichten im Sommer werden. Die Dachfläche muss deshalb möglichst lang von der Sonne beschienen werden – und sich in einer möglichst warmen Klimaregion befinden.
Steildächer
Daniel Kehl und Hartwig Künzel [KK16] haben diese Problematik mit dem hygrothermischen Simulationsprogramm WUFI untersucht. Dazu haben sie den Feuchtegehalt im unten abgebildeten Dach unter verschiedenen Bedingungen über den Verlauf von mehreren Jahren simuliert.
In ihrem Fazit kommen sie zu folgendem Schluss: In wärmeren Klimaregionen (Jahresmitteltemperatur ≥ 9°C) funktioniert das Dach mit einer feuchtevariablen Dampfbremse der 2. Generation (z.B. pro clima Intello oder Isover Vario Xtrasafe) in folgenden Fällen:
- immer, wenn die Dachfläche nach Süden, Südwesten oder Südosten orientiert ist,
- wenn die Dachfläche nach Westen oder Osten orientiert ist und die Dachneigung maximal 60° beträgt,
- wenn die Dachfläche nach Nordwesten oder Nordosten orientiert ist und die Dachneigung maximal 40° beträgt.
- Bei Norddächern ist jedoch bereits eine Dachneigung von 40° kritisch.
In kälteren Gebieten (Jahresmitteltemperatur 6,5°C – 9°C) sieht es entsprechend ungünstiger aus:
- Eine Orientierung nach Süden funktioniert auch hier,
- bei einer Orientierung nach Südosten oder Südwesten ist jedoch schon eine Dachneigung ab 60° kritisch und
- Richtung Westen und Osten sind bereits 40° kritisch.
- Nach Nordwesten oder Nordosten orientierte Dächer funktionieren nur bis 20° Dachneigung und
- Norddächer sind ab 20° bereits kritisch.
Mit älteren Dampfbremsen (z.B. Isover Vario KM Duplex) funktioniert der untersuchte Aufbau in kälteren Gebieten überhaupt nicht und in wärmeren Gebieten etwas schlechter als mit Dampfbremsen der 2. Generation in kälteren Gebieten.
Fällt Ihr bereits existierendes Dach nicht in die Kategorie „funktionierend“, ist jedoch nicht sofort Panik angesagt, denn die Autoren haben bei ihrer Untersuchung verschiedene Sicherheiten eingeplant: Beim Innenklima wurde mit einer um 5% erhöhten relativen Luftfeuchtigkeit gerechnet, neben dem „normalen“ Feuchteeintrag durch die Dampfbremse hindurch wurde auch ein konvektiver Feuchteeintrag durch Leckagen in Höhe von q50=3m³/(m²h) berücksichtigt, und die Gebäudehöhe wurde mit 10m angesetzt (je höher das Gebäude umso höher werden Luftdruckunterschiede zwischen innen und außen und umso leichter strömt Feuchtigkeit durch Leckagen in das Bauteil ein).
Dächer, die zu weit außerhalb der oben genannten Bedingungen liegen, sollten mit einem hygrothermischen Simulationsprogramm individuell untersucht werden.
Flachdächer
Flachdächer mit außenliegender Dichtbahn entsprechen im Prinzip den oben untersuchten Fällen bei einer Dachneigung von 0°. Relevant ist hier aber zusätzlich der Oberbelag, weil er bestimmt, wie stark sich die Dachfläche im Sommer erwärmt. Ideal ist eine nackte, dunkle Dichtbahn. Ungünstig sind helle, bekieste oder begrünte Oberflächen.
Die Referenten des zweiten internationalen Holz[Bau]Physik-Kongresses in Leipzig haben in einem Konsenspapier „7 goldene Regeln für nachweisfreie Flachdächer in Holzbauweise“ aufgeführt:
- Es hat ein Gefälle ≥ 3% vor bzw. ≥ 2% nach Verformung und es ist
- dunkel (Strahlungsabsorption a ≥ 80%), unverschattet und es hat
- keine Deckschichten (Bekiesung, Gründach, Terrassenbeläge) aber
- eine feuchtevariable Dampfbremse und
- keine unkontrollierbaren Hohlräume auf der kalten Seite der Dämmschicht und
- eine geprüfte Luftdichtheit von q50≤1,5m³/(m²h) und es wurden
- vor dem Schließen des Aufbaus die Holzfeuchten von Tragwerk und Schalung (u ≤ 15 ± 3 M-%) bzw. Holzwerkstoffbeplankung (u ≤ 12 ± 3 M-%) dokumentiert.
Sind diese Regeln erfüllt, so könne ohne rechnerischen Nachweis von der Funktionstüchtigkeit des Daches ausgegangen werden. Ist einer der Punkte nicht erfüllt, so muss ein hygrothermischer Nachweis erbracht werden.*
Diese Regeln gibt es inzwischen auch in erweiterter und offizieller Form: Sie sind in das WTA Merkblatt 6-8 [WTA] eingeflossen.
Werden die Regeln 2) oder 3) nicht erfüllt, so empfiehlt es sich, einen Teil der Wärmedämmung oberhalb der Dichtbahn anzuordnen. Die Dichtbahn selbst liegt dadurch auf einem wärmeren Temperaturniveau, wodurch das Tauwasserproblem entschärft wird. Nachweisfrei wird das Bauteil jedoch erst, wenn mindestens 2/3 der Wärmedämmung oberhalb der Dichtbahn liegen [WTA].
Bewertung des Feuchteschutzes im U-Wert-Rechner
Die Feuchteschutzberechnung des U-Wert-Rechners basiert auf der DIN 4108-3 welche ein Mindestmaß an Sonnenbestrahlung voraussetzt. Im Gegensatz zu hygrothermischen Simulationsprogrammen wie z.B. WUFI berücksichtigt der U-Wert-Rechner weder die Kapillarität der verwendeten Baustoffe, noch das lokale Klima oder weitere Feuchtigkeitseinträge wie z.B. durch Restleckagen. Die Bewertung erfolgt somit pauschal und für eine durchschnittliche Situation. Das bedeutet: Auch wenn der Feuchteschutz im grünen Bereich liegt, kann das Bauteil in ungünstigen Situation (nördliche Orientierung, hohe Dachneigung, kalte Klimazone) kritisch sein. Liegt die Bewertung im gelben oder gelbgrünen Bereich, sollte grundsätzlich eine genauere Untersuchung folgen.
Quellen:
[KK16] Kehl, D. und Künzel, H., „Außen dampfdichte Steildächer“ in Holzbau die neue quadriga, Ausgabe 2/2016.
[WTA] WTA Merkblatt 6-8 „Feuchtetechnische Bewertung von Holzbauteilen – Vereinfachte Nachweise und Simulation“, Ausgabe 08.2016/D. Die WTA-Merkblätter können hier bezogen werden.
*Anmerkung: Ein Flachdach mit einer älteren Dampfbremse in einer kälteren Klimaregion funktioniert gemäß [KK16] nicht, kann aber entsprechend der 7 goldenen Regeln nachweisfrei sein. Die Ursache dieses Widerspruchs ist vermutlich in den ungünstigen Randbedingungen zu suchen, die [KK16] als Sicherheit eingebaut haben.
Bei der Feuchteberechnung gehen Sie von folgenden klimatischen Bedingungen aus: Außenluft -5,0°C / 80 % Frage gilt dies für alle alle Klimazonen oder sind diese variabel zu berücksichtigen was gilt zB. für Tirol ??
Diese Werte gelten für Deutschland, jedoch nicht für Höhenlagen in den Bergen. Wenn das lokale Klima in Tirol nicht zu sehr vom deutschen abweicht, sollte die Berechnung trotzdem brauchbare Ergebnisse liefern. Beachten Sie aber, dass die Rechnung außerhalb Deutschlands nicht den offiziellen (behördlichen) Anforderungen entspricht.