Thermische Simulation – Wärmebedarf und Hitzeschutz 2.0

Seit kurzem enthält der Ubakus ein weiteres Tool: Die Thermische Simulation ermittelt nicht nur den Wärmebedarf, sondern auch die Raumtemperatur im Sommer. Dazu werden Wärmespeicherfähigkeit der Baustoffe, Außentemperatur und Wärmestrahlung detailliert berücksichtigt.

Auch wenn mir schon viele Leute berichtet haben, wie perfekt die Ergebnisse des (alten) Wärmebedarfrechners mit der Realität übereinstimmen, so konnte er einige Dinge doch nur unzulänglich berücksichtigen. Im Vergleich dazu bietet die Thermische Simulation folgende Vorteile:

  • Für das Außenklima werden stündliche Werte von Temperatur und Solarstrahlung verwendet
  • Die Wärmespeicherfähigkeit der Bauteile wird berücksichtigt
  • Verschattung, Sonnenschutz und Lüftungsverhalten können berücksichtigt werden
  • Solarstrahlung auf opake Flächen (Wände, Dächer, …) wird berücksichtigt
  • Speichermöglichkeit und PDF-Export für Nutzer mit Profi-Option. Bei allen anderen eingeloggten Nutzern „merkt“ sich das Tool die letzte Berechnung.

Recht ähnlich ist dagegen die Benutzeroberfläche geblieben: Im wesentlichen müssen die Umfassungsflächen einer „Gebäudezone“ in tabellarischer Form eingegeben werden. Eine Gebäudezone kann ein Raum, eine Wohnung oder sogar ein ganzes Haus sein. Allerdings wird angenommen, dass die Raumlufttemperatur in der gesamten Zone gleich ist. Meist ist dies jedoch nur bei der Betrachtung eines einzelnen Raumes oder im Winterhalbjahr der Fall. Deshalb gilt folgende Regel: Für die Untersuchung des Hitzeschutzes modellieren Sie immer einen einzelnen Raum – möglichst den mit der größten Wärmebelastung. Für die Berechnung des Wärmebedarfs darf sich die Zone über alle beheizten Räume erstrecken.

Beginnen Sie auf dem obersten Panel „Allgemeine Einstellungen“ und legen Sie Standort (Auswahlhilfe hier) und die Größe der Zone fest (Raumvolumen in m³).

Fügen Sie dann im darunter liegenden Panel alle Flächen hinzu, die das Raumvolumen umschließen. Bei Wänden und Dächern muss die Netto-Fläche angegeben werden, d.h. Fensterflächen dürfen nicht mitgezählt werden.

Weil die Simulation auch die Wärmespeicherfähigkeit berücksichtigt, sollten Sie hier auch Innenwände und Decken zu beheizten Räumen eingeben. Sämtliche Umfassungsflächen müssen dazu zunächst im U-Wert-Rechner modelliert und abgespeichert werden. Fenster können entweder detailliert mit dem Fenster-Rechner modelliert werden und über „Bauteil hinzufügen“ eingebaut werden. Alternativ können Sie aus vier verschiedenen Standardfenstertypen wählen („Standardfenster einfügen“).

Jede Umfassungsfläche hat weitere Einstellmöglichkeiten wie z.B. Fläche, Neigung, Verschattung, etc. die zum Teil durch das Symbol dargestellt werden. In einigen Aufklappmenüs finden Sie eine kurze Erklärung der betreffenden Funktion.

Wie auch in den anderen Ubakus-Tools werden die Berechnungsergebnisse nach jeder Änderung automatisch aktualisiert. In diesem Fall bedeutet dies, dass der Verlauf eines Jahres mit dem Außenklima des gewählten Standorts simuliert wird. Für das Außenklima werden dazu sogenannte Test-Referenz-Jahre verwendet. Diese enthalten stündliche Werte für die Temperatur, Solarstrahlung, und die atmosphärische und terrestrische Strahlung. Intern wird jedoch mit noch kleineren Zeitschritten gerechnet (maximal 10 Minuten). Für jeden Zeitschritt wird ein umfangreiches Gleichungssystem aufgestellt und mit einem hoch optimierten Verfahren gelöst. Das Ergebnis ist für jeden Zeitschritt die Raumtemperatur und der Temperaturverlauf in jeder Umfassungsfläche. Die integrierte Simulation eines Heizungsthermostats bestimmt nebenbei die benötigte Heizenergie im Winter.

Aufgrund des hohen Rechenaufwands werden jedoch zwei Vereinfachungen vorgenommen: 2D- und 3D-Bauteile (z.B. mit Balkenlagen) werden zunächst in eine spezielle 1D-Variante umgerechnet, die den gleichen U-Wert und die gleiche Wärmespeicherfähigkeit aufweist. Außerdem wird langwellige Wärmestrahlung im Inneren des Raumes nicht explizit berücksichtigt.

Simulationsergebnisse

Die Simulationsergebnisse werden direkt unter der Liste der Umfassungsflächen dargestellt. Darüber hinaus werden die drei wichtigsten Zahlenwerte am unteren Fensterrand angezeigt, so dass Sie die Auswirkung einer Änderung in vielen Fällen ohne Scrollen erfassen können.

Raum- und Außentemperatur

Neben den beiden Temperaturkurven werden hier noch zwei weitere Dinge dargestellt: Die „Erhöhte Lüftung“ und die „Übertemperaturgradstunden“:

Erhöhte Lüftung: Um die Überhitzung eines Raums im Sommer zu vermeiden, werden typischerweise die Fenster geöffnet, solange es draußen kühler als im Raum ist. Dieses Verhalten kann über die Einstellungen im obersten Panel ebenfalls simuliert werden und zwar getrennt für die Tag- und die Nachtstunden. Zeiten, in denen die Lüftung durch geöffnete Fenster erhöht wurde, werden in der Abbildung durch einen hellblauen Balken markiert.

Die Übertemperaturgradstunden sind ein Maß für die übermäßige Erwärmung eines Raums. Der Wert spiegelt wider, wie häufig und wie stark eine bestimmte, vom Standort abhängige Grenztemperatur überschritten wird. Die Anzahl der Übertemperaturgradstunden lässt sich sehr schön grafisch veranschaulichen, nämlich als Fläche zwischen der Raumtemperatur und der Grenztemperatur (z.B. 26°C). Diese Fläche wird in der Abbildung hellrot dargestellt.

In dieses Panel können Sie nicht nur mit den Plus-/Minusschaltflächen herein zoomen, sondern auch mit dem Mausrad bei gedrückter Shift-Taste. Der Ausschnitt lässt sich über klicken und ziehen oder ebenfalls mit dem Mausrad (ohne Shift-Taste) verschieben.

Wärmebedarf

Auf dem Panel „Wärmebedarf“ finden Sie den benötigten Heizwärmebedarf sowie die internen und solaren Gewinne. Der Heizwärmebedarf ist die Wärmemenge, die die Heizung in den Raum abgeben muss. Die Effizienz der Heizungsanlage bleibt dabei unberücksichtigt.

Die internen Gewinne stellen die Wärmemenge da, die durch elektrische Geräte, Bewohner, etc. an den Raum abgegeben wird. Dieser Wert skaliert mit der Nutzfläche und entsprechend der Angabe unter „Weitere Parameter“. Die Nutzfläche ist die Summe aller Fußbodenflächen in der Liste „Umfassungsflächen“, dazu zählen alle Bauteile des Typs „Fußboden“ oder „Kellerdecke“.

Solare Gewinne entstehen durch den Wärmeeintrag durch Fenster. Durch die Sonneneinstrahlung auf opake Wand- und Dachflächen kann ebenfalls ein solarer Gewinn entstehen, dieser wird jedoch nicht gesondert ausgewiesen. Wenn Sie den Effekt der Solarstrahlung auf opake Flächen untersuchen möchten, können Sie die entsprechende Fläche testweise verschatten und die Auswirkung auf Wärmebedarf und Übertemperaturgradstunden betrachten.

In dieses Panel können Sie wie unter „Raum- und Außentemperatur“ beschrieben ebenfalls herein zoomen.

Verteilung der Wärmeverluste

Hier sehen Sie auf einen Blick, auf welchem Weg die meiste Energie während der Heizperiode verloren geht. Das hilft bei der gezielten Optimierung.

In diesem Beispiel entweicht die meiste Wärme durch die Lüftung. Da die Lüftung nicht unter ein hygienisches Minimum reduziert werden soll, könnte man hier den Einsatz einer kontrollierten Lüftung mit Wärmetauscher in Betracht ziehen. Diese System lassen sich übrigens auch nachträglich installieren.

Wärmeeintrag an Übertemperaturtagen

Dieses Diagramm zeigt Ihnen, warum sich der Raum erwärmt und wie Sie dem am besten entgegenwirken können. Bei einem hohen Wärmeeintrag durch Fenster sollte zunächst ein geeigneter Sonnenschutz installiert werden. Grundsätzlich lässt sich die Überhitzung auch mit mehr Dämmung und/oder Speichermasse verringern. Auch die Möglichkeit der Verschattung durch Bäume sollte geprüft werden.

Treibhauspotential

Hinweis: In der aktuellen „Preview-Version“ kann noch keine Sanierung berücksichtigt werden. Das Treibhauspotential für die Herstellung bzw. den Bau geht von einem Neubau aus.

Die Abbildung zeigt im senkrechten Teil der Kurve das Treibhauspotential der Herstellung aller oben angegebenen Umfassungsflächen. Die durch die Beheizung entstehenden Umweltbelastungen sind durch die schräg nach oben verlaufende Kurve dargestellt.

Anhand der Farbe ist zu erkennen: Je länger das Bauteil (unverändert) genutzt wird, umso umweltfreundlicher ist es, weil der Herstellungsaufwand weniger zu den Gesamtemissionen beiträgt. Eine Vorhersage für die Lebensdauer zu treffen ist jedoch schwierig. Als Faustwert gelten 30 Jahre. Mehr als 50 Jahre sollte man auf keinen Fall ansetzen.

Treibhauspotential der Herstellung

Hier sehen Sie die Beträge der einzelnen Umfassungsflächen. Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen können sogar ein negatives Treibhauspotential aufweisen. Der Balken verläuft dann nach links.

Für die Herstellung berücksichtigt werden die Phasen A1-A3 (Gradle-to-Gate, das heißt, die Herstellung der Produkte bis zum Verlassen des Werks). Die Entsorgung der Baustoffe nach deren Lebensende wird nicht berücksichtigt, da dazu keine belastbaren Daten vorliegen: Bei Lebensdauern von 30 bis 50 Jahren für Dämmstoffe und 100+ Jahren für tragende Bauteile, lässt sich aktuell nicht abschätzen, wie die Baustoffe in der Zukunft entsorgt (oder was wahrscheinlicher ist: recycelt) werden.

Weitere Angaben

Einige weitere Zahlenwerte, jeweils mit einer Mini-Erläuterung, finden Sie am Ende der Seite:

Ihre Chance

Die aktuelle Version (vom 6.12.2019) betrachte ich als Preview-Version und hoffe, dass die endgültige Version mit Ihrer Hilfe noch besser wird: Bitte schreiben Sie mir, was Sie gut finden, vor allem aber auch: Was fehlt? Was ist umständlich oder unverständlich? Funktioniert etwas vielleicht gar nicht? Ich verspreche, dass ich mir alle Rückmeldungen zu Herzen nehmen werde und versuchen werde, die nächste Version (geplant für Anfang 2020) entsprechend zu verbessern.

Ralf Plag

PS: Hier noch Mal der Link: Thermische Simulation

4 Kommentare

  1. Bei dem Hitzeschutz wäre doch sicher der Reflexionsfaktor im solaren IR Spektrum bis 2500nm ein wichtiger Faktor. Bei den inneren viel niedrigeren Strahlungstemperaturen von ca 10°C-30°C wäre beim Wärmebedarf die Reflexion im langwelligen Bereich 2500-14000nm wichtig. Dies ist auch wichtig bei der nächtlichen Auskühlung: Abstrahlung gegen kalten Nachthimmel wichtig. Wie könnte man die vom Standardwert de Emission (0,9) oder Reflexion (0,1) abweichenden Reflektierenden Beschichtungen die z.B. 0,8 Reflexion / 0,2 Emission hätten, zumindest überschlägig berücksichtigen ohne dass das eie Doktorarbeit wird?

  2. Der solare Reflexionsfaktor hat im Rauminneren eine gewisse Bedeutung, da er zur Umverteilung der solaren Gewinne führt. Der Ubakus nimmt einen mittleren Reflexionsgrad an (0.3 – 0.7) und verteilt die Solarstrahlung entsprechend DIN 13791 Anhang G.3 auf die umliegenden Flächen.
    Der Emissionsgrad für langwellige Strahlung (Wärmeabstrahlung von Außenoberflächen) ist zur Zeit tatsächlich auf 0.9 fest verdrahtet. In einem der nächsten Updates soll dieser Wert jedoch von der äußersten Schicht des Bauteils übernommen werden. Die Emissionsgrade der einzelnen Schichten können im Schichtmenü des U-Wert-Rechners bearbeitet werden.
    Der Absorptionsgrad für solare Strahlung auf der Außenoberfläche kann im Simulationstool festgelegt werden.
    Grüße
    Ralf Plag

  3. … ich denke das was sie machen ist ein guter (sehr guter) und interessanter Weg, Frage: wie kann ich eine Solaranlage Heizungsunterstützung (sagen wir 20 qm) bei der Simulation berücksichtigen. Kamin wassergeführt oder eben nicht, das sind Aspekte die ich hier sehr interessant finden würde. Wenn es nicht zu viel wird, ich hätte noch einige dieser Fragen.

  4. Aktuell kann eine Solaranlage leider nicht berücksichtigt werden. Eine entsprechende Erweiterung des Tools wird aber sehr wahrscheinlich irgendwann kommen.
    Grüße
    Ralf Plag

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